1799: Durch die ersten Fabrikgebäude hallte ein Geräusch, das in Sachsen noch keiner gehört hatte. Es war geformt vom Takt. Ein einziger mechanischer Antrieb übertrug ihn auf eine Vielzahl von Maschinen, um sie im Gleichklang produzieren und rattern zu lassen. Der Arbeitsrhythmus der Handwerker war vom gleichförmigen Lauf der Maschinen abgelöst worden. (Die Maschinen produzierten Halbfertigwaren und Gegenstände mit identischen Maßen und identischem Aussehen nach den elementaren Prinzipien der Mechanik, der Ordnung und der Geometrie: auf und ab, hin und her, rundherum. Gerade Linie, rechter Winkel, Quadrat, Rechteck und Kreis.) Im Jahr 1799 begann in Sachsen mit drei Spinnereien das Industriezeitalter, und schon im 19. Jahrhundert gehörten Fabrikgebäude zu den eindrucksvollsten Bauwerken in Städten und vielen Landgemeinden. Im 20 Jahrhundert wurde der Fabrikbau durch die neuen Materialien Stahl, Glas und Beton zu einem wichtigen Impulsgeber für die moderne Architektur. Die These „Funktion bestimmt die Form“ war dabei das Leitbild. Bernd Sikora nimmt uns in seinem Vortrag mit zu den Anfängen der Industriearchitektur in Sachsen. Mit der Erfindung mechanisch angetriebener Maschinen entstand eine Aufgabe für die Architektur, die es vordem noch nie gegeben hatte. Der Bau einer Fabrik erforderte im Gegensatz zu den traditionellen Werkstätten der Handwerker eine durchdachte technische Planung. Eine wesentliche Rolle spielte dabei Johann Traugott Lohse, ein bedeutender Kirchenbaumeister und erster Repräsentant der sächsischen Industriearchitektur. Aufgrund seiner baukonstruktiven Erfahrungen für Großbauten und den gestalterischen Anspruch, der für repräsentative Aufgaben notwendig war, schuf er Fabriken wie Paläste. Zu seinem vielseitigen Schaffen im Erzgebirge und im Chemnitzer Umland gehören unter anderem auch zahlreiche Spinnereien, wie die Bernhardsche Spinnerei in Chemnitz (1799), Evans in Siebenhöfen (1812) und Meinert in Lugau (1813). Über den Referenten: Bernd Sikora studierte an der Ingenieurschule für Bauwesen Leipzig und nach einer fünfjährigen Tätigkeit als Architekt für Sport- und Messebau an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Nach dem Diplom (1970) für Angewandte Grafik ist er seit 1970 freiberuflich tätig. Er engagierte sich praktisch und publizistisch für eine qualifizierte Gestaltung in den Bereichen Grafik sowie öffentlicher, städtischer und landschaftlicher Bereiche. Er war Lehrbeauftragter für Industriearchitektur am Institut für Industriearchäologie, Wissenschafts- und Technikgeschichte der TU Bergakademie Freiberg und ist Referent bei Vorträgen und Führungen. Sikora ist Gründungsmitglied des Deutschen Werkbundes Sachsen. Von 2006 bis 2008 war er Vorsitzender des Deutschen Werkbundes.